Infosystem Kommunalpolitik

 
 
ALLRIS - Drucksache

Geschäftliche Mitteilung - 0284/2018

Reduzieren

Beratungsfolge

Reduzieren

Antrag

 

Reduzieren

Sachverhalt/Begründung

Mit Ratsbeschluss Drucksache 0103/2017 „100 % Ökostrom“ vom 16.03.2017 wurde der Oberrgermeister gebeten, der Ratsversammlung schnellstmöglich einen Weg darzustellen, wie sich möglichst im Rahmen der bestehenden Stromlieferverträge die Versorgung der städtischen Liegenschaften und darüber hinaus die der städtischen Gesellschaften mit 100% zertifiziertem Ökostrom umsetzen lässt.

 

Hintergrund Stromlieferverträge

 

Die städtischen Liegenschaften werden derzeit im Rahmen von 4 Stromlieferverträgen (Lose 1 bis 4) versorgt. Die Verträge laufen mit einer Kündigungsfrist von mind. 21 Monaten bis zum 31.12.2020. Wenn nicht eine Vertragspartnerin kündigt, verlängern sie sich jeweils um ein weiteres Jahr. Die nächstmögliche Kündigungsfrist ist demnach der 31.03.2019

Alle bestehenden Stromlieferverträge werden jeweils vor Ablauf der Kündigungsfrist auf ihre Wirtschaftlichkeit hin überprüft. Zum März 2018 wurden alle Verträge hinsichtlich der Stromarbeitspreise als marktgerecht eingeschätzt, insbesondere die stromfondsgebundene Beschaffung an der Börse (Lose 1 bis 3) hat sich bewährt.

 

Mit dem Beschluss 0452/2007 vom Juli 2007 anlässlich der europaweiten Ausschreibung der Stromlieferverträge strebte die Landeshauptstadt Kiel einen Versorgungsanteil von 25 % Strom aus erneuerbaren Energien - zusätzlich zum gesetzlichen EEG-Anteil - an. Hierzu wurde die Stromlieferung an das Neue Rathaus (Los 4) komplett zur Versorgung mit zertifiziertem Strom aus erneuerbaren Energien ausgeschrieben, dies entsprach einem Stromanteil von ca. 5 %.

 

Zuschlagskriterium für die Stromlieferung an die Straßenbeleuchtung (Los 2) war zwar der günstigste Preis, der Anbieter liefert aber ausschließlich Strom aus erneuerbaren Energien, so dass der Anteil an Strom aus erneuerbaren Energien ca. 30,7 % betrug.

 

Durch die umgesetzten Effizienzmaßnahmen bei der Straßenbeleuchtung und die Hinzunahme weiterer Abnahmestellen (z.B. Städtisches Krankenhaus) hat sich der Anteil an Strom aus erneuerbaren Energien an der Belieferung städtischer Liegenschaften reduziert und liegt derzeit bei  ca. 19 %.

 

Vertragspartner der Lose 1 und 3 sind die Stadtwerke Kiel AG, der Lose 2 und 4 die Firma Lichtblick. Die Mengen an „Graustrom“ der Lose 1 und 3 betragen zusammen derzeit ca. 33 Gigawattstunden pro Jahr.

 

Die Stromversorgung der städtischen Beteiligungen erfolgt entweder bereits im Rahmen der Lose 1 und 3 oder die Beteiligungen verfügen über eigene Verträge mit der Stadtwerke Kiel AG. Ein Unternehmen bezieht zertifizierten Ökostrom von einem anderen Anbieter.

 

Herkunftsnachweise für Strom aus Erneuerbaren Energien

 

Nach europäischem Recht ist der Handel mit Strom aus erneuerbaren Energien über die Ausstellung und Entwertung von Herkunftsnachweisen (HKN) geregelt. Seit Januar 2013 darf ein Energieversorgungsunternehmen Strom nur dann als solchen aus erneuerbaren Energien (EE) kennzeichnen und auf der Stromrechnung ausweisen, wenn es für die gelieferte Menge EE-Strom auch Herkunftsnachweise gekauft und im Herkunftsnachweisregister entwertet hat. Der Herkunftsnachweis belegt, dass Strom aus einer Anlage, die mit erneuerbaren Energien betrieben wird, in das Stromnetz eingespeist wurde. In Deutschland erfolgt der Handel mit inländischen und ausländischen Herkunftsnachweisen über das Herkunftsnachweisregister (HKNR) beim Umweltbundesamt. Die Herkunftsnachweise können auch unabhängig von der physischen Stromlieferung gehandelt werden. Nur Energieversorgungsunternehmen sind berechtigt Herkunftsnachweise zu erwerben. Die Landeshauptstadt Kiel als Endkunde kann keine Herkunftsnachweise direkt erwerben.

 

Es besteht die Möglichkeit Herkunftsnachweise mit „Optionaler Kopplung“ auszuwählen. Dieser zusätzlich geforderte Nachweis stellt sicher, dass Stromlieferung und Herkunftsnachweis nicht getrennt verkauft werden, sondern von derselben Anlage stammen. Diese Anforderung ist bei dem Stromliefervertrag für das Neue Rathaus erfüllt.

 

Wird Strom an der Börse beschafft, wie dies im Rahmen der strukturierten Beschaffung mit Stromfondsmodellen der Lose 1 bis 3 erfolgt, ist eine Kopplung von Stromlieferung und Herkunftsnachweisen aus derselben Anlage nicht möglich, da an der Börse nur „Graustrom“ gehandelt wird. Das Energieversorgungsunternehmen kann in diesem Fall Herkunftsnachweise ohne „Optionaler Kopplung“ erwerben und bilanziell den Stromliefermengen der jeweiligen Kunden zuordnen.

 

Der Zubau von Anlagen zur Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energien wurde in den vergangenen Jahren in Deutschland erfolgreich durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz EEG gesteigert. Für diese in Deutschland nach dem EEG geförderten Strommengen stehen aufgrund eines Doppelvermarktungsverbotes keine Herkunftsnachweise als „Strom aus erneuerbaren Energien“ zur Belieferung von Endkunden zur Verfügung.

Aufgrund des EEG Doppelvermarktungsverbotes ist in Deutschland die Menge von erneuerbarem Strom mit Herkunftsnachweisen im Wesentlichen begrenzt auf alte Wasserkraftanlagen und den biogenen Stromanteil von Müllverbrennungsanlagen. Die Mehrheit der Herkunftsnachweise für den in Deutschland gehandelten Strom aus erneuerbaren Energien stammt deshalb aus dem europäischen Ausland und kommt insbesondere von Wasserkraftanlagen aus Norwegen und Wind- und Wasserkraftanlagen aus Österreich.

Eine Verpflichtung des Stromlieferanten, für den im Rahmen der bestehenden Verträge an der Börse beschafften Graustrom Herkunftsnachweise mit vorgegebenen Qualitätsmerkmalen nachträglich hinzuzukaufen, ist vergaberechtlich innerhalb der bestehenden Stromlieferverträge nicht möglich.

 

Zertifizierter Ökostrom regional erzeugter blauer und grüner Strom

 

Im Gegensatz zur Forderung des Bezuges von Strom aus erneuerbaren Energien, wie im Ratsbeschluss 0452/2007 vorgegeben, ist der Begriff „Ökostrom“ insbesondere die „Qualität von Ökostrom“ nicht verbindlich definiert oder geschützt und insbesondere nicht auf Strom aus erneuerbaren Energien beschränkt. Einige Anbieter von Ökostrom für Private Haushalte haben an dem gelieferten Strommix einen Anteil von bis zu 50 % von Strom aus erdgasbasierter Kraft-Wärme-Kopplung.

 

Die Stromerzeugungssituation in der Landeshauptstadt Kiel wird sich mit dem Bau des Küstenkraftwerkes grundlegend ändern. Das Gasmotorenheizkraftwerk wird zukünftig umweltfreundlichen Strom aus hocheffizienter Kraft-Wärmekopplung erzeugen und in das Kieler Versorgungsnetz einspeisen. Nach dem heutigen Stand der Technik werden derartige Anlagen auch noch viele Jahre die Windkraft- und Solaranlagen ergänzen müssen, um Engpässe bei Windflauten zu vermeiden.

 

Bereits jetzt hat die Kieler Müllverbrennungsanlage den Anteil des aus dem biogenen Brennstoffanteil erzeugten Stroms als „Strom aus erneuerbaren Energien“ zertifizieren lassen und hierfür Herkunftsnachweise ausstellen lassen.

 

Aufgrund der Tatsache, dass eine Umsetzung des Antrages (Drucksache 0103/2017 „100 % Ökostrom“ vom 16.03.2017) vergaberechtlich nicht möglich ist, wurde gemeinsam mit der Stadtwerke Kiel AG ein möglicher Weg entwickelt, das Gesamtportfolie Strom der Stadtwerke Kiel AG klimafreundlicher zu gestalten und den Anteil an erneuerbaren Energien zu erhöhen.

 

Die Stadtwerke Kiel AG hat bereits die freien Herkunftsnachweise der MVK für die Jahre 2017 und 2018 in Höhe von ca. 15 Gigawattstunden pro Jahr beschafft. Darüber hinaus hat die Stadtwerke Kiel AG gemeinsam mit der ARGE Netz Energie GmbH und Co. KG ein energiewirtschaftliches Detailkonzept erarbeitet und einen entsprechenden Kooperationsvertrag verhandelt. Dieser Vertrag regelt die Belieferung der Stadtwerke Kiel AG mit Strom aus lokalen Windkraftanlagen aus Schleswig-Holstein. Die Stadtwerke Kiel AG erhöht somit maßgeblich den Anteil an klimafreundlichem Strom in ihrem Portfolio. 

Somit profitieren alle belieferten Abnahmestellen von dem umweltfreundlicheren Strom. Die bestehenden Stromlieferverträge zwischen der Landeshauptstadt Kiel und der Stadtwerke Kiel AG bleiben von dieser Lösung unberührt.

 

Auch der von privaten Solarstromanlagen oder anderen nach EE-Anlagen in das Kieler Stromnetz eingespeiste und nach dem EEG vergütete Strom steht bilanziell jedem Kieler Kunden, auch der Landeshauptstadt Kiel anteilig zu Verfügung, da er durch die EEG-Umlage bezahlt wurde.

 

In Zukunft wird der Strommix im Kieler Stromversorgungsnetz zu einem hohen Anteil aus lokal erzeugtem umweltfreundlichen Strom aus hocheffizienter Kraft-Wärme-Kopplung und erneuerbaren Energien bestehen.

 

Eine europäische und für Deutschland verbindliche Rechtsgrundlage für die Erstellung von Herkunftsnachweisen für Strom aus hocheffizienter Kraftwärmekopplung analog zu den Herkunftsnachweisen für erneuerbaren Energien gibt es bisher nicht.

 

Der Bundesverband Kraft-Wärme-Kopplung e.V. hat jetzt mit der Einführung eines Gütesiegels „Blauer Strom®“ begonnen, mit dem Strom aus KWK-Anlagen gekennzeichnet werden kann.

 

Die Stadtwerke Kiel haben mitgeteilt, dass sie mit Inbetriebnahme des Küstenkraftwerkes beabsichtigen den regional erzeugten Strommix aus „blauem“ und „grünem“ Strom in ihrem Versorgungsnetz zertifizieren zu lassen und mit einem geeigneten Label bzw. Gütesiegel als „klimaverträglichen Regionalstrom“r alle Kunden auszuweisen.

 

Auch im Rahmen der Bilanzierungsverfahren des Masterplans 100 % Klimaschutz haben lokale und regionale Stromerzeugungsanlagen bei der klimaverträglichen Stromversorgung der Landeshauptstadt Kiel eine hohe Priorität.

 

In dem Szenario, mit dem Kiel die Klimaschutzziele im Jahr 2050 erreichen will, wird davon ausgegangen, dass der zusätzlich erforderliche Strombezug von außerhalb des Kieler Stadtgebietes zunehmend aus regenerativ erzeugtem Strom aus dem Kieler Umland bestehen wird und ab dem Jahr 2035 bilanziell kein überregionaler Strombezug aus dem Bundesgebiet mehr erfolgen muss.

 

 

 

 

 

 

Doris Grondke

Stadträtin für Stadtentwicklung und Umwelt

 

 

Loading...