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ALLRIS - Drucksache

Geschäftliche Mitteilung - 0528/2019

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Beratungsfolge

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Antrag

 

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Sachverhalt/Begründung

Die Verwaltung informiert den Jugendhilfeausschuss in dieser Geschäftlichen Mitteilung über die Ausgaben- und Fallzahlenentwicklung im Bereich der Hilfen zur Erziehung nach § 27 ff SGBVIII. Ursachen werden beleuchtet und Handlungsansätze und Maßnahmen skizziert.

 

Zur Einordnung

Der Allgemeine Sozialdienst (ASD) ist ein dezentral in sechs Sozialzentren organisierter, kommunaler sozialer Dienst mit einem breit gefächerten Aufgabenkatalog. Die Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen unterstützen Eltern, Kinder und Jugendliche dabei, ihre persönlichen Ressourcen zu aktivieren und Lösungen für schwierige Lebenslagen zu entwickeln.

Schwerpunkte der Arbeit:

      In den Sozialzentren erhalten Eltern Beratung in allgemeinen Fragen der Erziehung. Der ASD kennt und vernetzt die Angebote verschiedenster Akteure im Stadtteil und kann Eltern und Kinder z.B. bei der Suche nach geeigneten Angeboten der Kinderbetreuung dorthin vermitteln. In Kooperation mit Regeleinrichtungen (Schulen, Kindertagesstätten) oder freien Trägern der Jugendhilfe initiiert der ASD niedrigschwellige Angebote sogenannte „präventive Hilfen“ - für Kinder, Jugendliche oder Eltern-(teile), die geeignet sind, glichst frühzeitig entstehende schwierige Lebenslagen abzuwenden.

      Zu den Kernaufgaben des ASD gehören die Unterstützung von Eltern bei Fragen der Partnerschaft, bei häuslicher Gewalt, Trennung und Scheidung, sowie die Beratung zur Regelung von Umgangskontakten und Sorgerecht.

      Kinder, Jugendliche und junge Volljährige bekommen in Konfliktsituationen die benötigte Hilfe. Der Schutz vor körperlicher und seelischer Misshandlung, Vernachlässigung oder sexuellem Missbrauch steht an erster Stelle. Dem ASD obliegt eine Clearing- und Koordinationsfunktion. Er hat im Kinderschutz eine Garantenstellung und stellt mit einem 24stündigen Bereitschaftsdienst an sieben Tagen in der Woche eine Erreichbarkeit sicher.

      Der ASD wirkt bei vormundschafts-, familien- und jugendgerichtlichen Verfahren nach Vorgabe des Achten Sozialgesetzbuches mit.

      Originäre Aufgabe kommunaler Jugendhilfe ist es, bei Bedarf geeignete und notwendige Hilfen zur Erziehung nach § 27 ff SGBVIII, Hilfe für junge Volljährige nach § 41 SGBVIII und Eingliederungshilfe für seelisch behinderte Kinder und Jugendliche nach § 35a SGBVIII anzubieten und umzusetzen. Auf die Gewährung von Hilfen zur Erziehung (HzE) besteht ein Rechtsanspruch, der in § 27 Abs. 1 SGBVIII festgeschrieben ist.

      Neben individuellen Hilfeleistungen hält der ASD eine Vielzahl und Vielfalt struktureller Angebote vor, die im Sozialraum eine (sekundär-) präventive Wirkung entfalten. Hierzu gehören unter anderem die Kooperation Schule Jugendhilfe (Drucksache 0946/2014), der Aus- und Umbau sozialräumlicher Hilfen (Drucksache 0632/2017) und die Angebote der Frühen Hilfen (Drucksache 0368/2019).

 

Hintergrund und Anlass für die Analyse der Fallzahlen- und Ausgabenentwicklung

Vorausschauende mittel- und langfristige Planunghlt zu den Merkmalen einer qualifizierten Jugend­hilfe. Der bundesrechtliche Rahmen schreibt vor, dass auch unvorhergesehene Bedarfe zu decken sind. Um in Anzahl, Umfang und Güte optimale Hilfen zur Erziehung vorzuhalten, steuert das Jugendamt sowohl kennzahlen- als auch wirkungsorientiert (Drucksache 0904/2017).

Die Fortschreibung der Steuerung der Hilfen zur Erziehung nach § 27 ff SGBVIII aus dem Jahr 2017 wies bereits gestiegene Ausgaben und Fallzahlen aus. Ein weiterer Anstieg wurde bereits - unter anderem infolge der Zuzüge von Menschen mit Fluchterfahrungen - erwartet.

Bundesweit haben demografische Entwicklungen seit 2015 dazu geführt, dass sowohl die Zahlen der Inobhutnahme als auch die Inanspruchnahme erzieherischer Hilfen erheblich gestiegen sind. Um erhöhten Bedarfen und veränderten Anforderungen in Art, Umfang und Qualität angemessen zu begegnen, hat das Jugendamt die Entwicklung eingehend untersucht. Anhand von Daten und Fakten werden wesentliche Veränderungen herausgearbeitet, analysiert und bereits getroffene - beziehungsweise geplante  - Maßnahmen beschrieben. Im Fokus stehen die Jahre 2015 bis 2018. Für 2018 gilt einschränkend, dass für die Analyse wesentliche Daten noch nicht verfügbar sind. Ferner wirkt einschränkend, dass Erstattungen für unbegleitete minderjährige Ausländerinnen und Ausländer teilweise periodenfremd erfolgten und erfolgen und somit nicht das Jahresgeschehen abbilden.

 

Entwicklung der Fallzahlen und der Gesamtausgaben

In Kiel sind die HzE-Gesamtausgaben von 2015 auf 2016 um 19,4 Mio. Euro (=  + 64%)  gestiegen. Dieser Fallzahlen- und Ausgabenanstieg erfolgte insbesondere in den Hilfearten Erziehungsbeistandschaft (§ 30 SGBVIII), Sozialpädagogische Familienhilfe (§ 31 SGBVIII), Heimerziehung (§ 34 SGBVIII), Hilfe für junge Volljährige (§ 41 SGBVIII) und in der Eingliederungshilfe für seelisch behinderte Kinder und Jugendliche (§ 35a SGBVIII).

In 2017 sanken die Ausgaben im Vorjahresvergleich um 4,3 Mio. Euro (= - 9%). In 2018 wurden 39,4 Mio € HzE-Gesamtausgaben gebucht. Dies ergibt einen weiteren Rückgang um 12,4%.

 

Erklärungsansätze

Im interkommunalen Bundesvergleich der mittleren Großstädte der Kommunalen Gemeinschaftsstelle (KGSt) werden regionale Besonderheiten sichtbar.

      Kiel ist eine Stadt mit einem stetigen Bevölkerungswachstum. Überproportional stark ist im Bundesvergleich das Bevölkerungswachstum durch Zuzüge von jungen Menschen mit nicht-deutscher Staatsangehörigkeit und Familien mit einem Migrationshintergrund. Die Zuzüge erfolgten überwiegend in Stadtteile mit herausragend hohen Kinderarmutsquoten.

 

      Der Interkommunale Vergleich zeigt, dass bundesweit Inklusionsbedarfe nach §35a SGBVIII gestiegen sind. Auch in Kiel stieg die Anzahl der Schulbegleitungen. Dabei fällt der Anstieg bezogen auf Eingliederungshilfen für seelische behinderte junge Menschen im Städtevergleich durch gute Steuerungsstrukturen nicht nur moderat aus, sondern liegt weit unter dem Durchschnitt.

 

      Kiel hat seit 2015 im Bundesvergleich überdurchschnittlich viele unbegleitete minderjährige Ausländerinnen und Ausländer (UMA) aufgenommen und im System der Jugendhilfe betreut. Während in anderen Städten die Inobhutnahmen ab 2017 sanken, blieben die entsprechenden Vergleichswerte in Kiel hoch. Die geografische Lage spielt hierbei eine entscheidende Rolle (Sackbahnhof, Fährhafen). Im Sinne von Nachhaltigkeit erhält eine Vielzahl der unbegleitet eingereisten Minderjährigen nach Eintritt der Volljährigkeit stabilisierende Hilfen nach § 41 SGBVIII.

 

      Entsprechend der Leistungs- und Entgeltvereinbarungen sind die Ausgaben an die öffentlichen und freien Träger der Jugendhilfe deutlich gestiegen. Im Zeitraum 2015 bis 2018 verteuerten sich im stationären Bereich die Ausgaben um 9,6%. Im ambulanten Bereich stiegen die Entgelte im selben Zeitraum prozentual um 6,7% (unter anderem Steigerung der Personal- und Sachkosten).

 

      Eine retrospektive Betrachtung der Personalsituation im Allgemeinen Sozialdienst (ASD) verdeutlicht die Herausforderungen der Personalfindung und bindung in Zeiten des Fachkräftemangels. Innerhalb von zwei Jahren hat es innerhalb der Mitarbeiterschaft einen Wechsel von 43% gegeben. Dabei waren einzelne Sozialzentren, wie Nord (82%) und Ost (56%), überdurchschnittlich belastet. Die Vielfalt und Komplexität der Aufgaben im ASD führt regelhaft zu langen Einarbeitungszeiten. Unbesetzte Stellen und neu einzuarbeitendes Personal belasten die Teams und die Leitungskräfte. Klientinnen und Klienten aller Altersgruppen wird zugemutet, sich gegebenenfalls mehrfach mit höchst individuellen Anliegen anzuvertrauen. Fachwissen und sozialräumliche Kenntnisse bezüglich niederschwelliger Alternativen zu intensiven Einzelmaßnahmen drohen verloren zu gehen. Diese Umstände haben einen indirekten Einfluss auf die Fallzahlen- und Ausgabenentwicklung.

 

 

Handlungsansätze und Maßnahmen

Die Drucksache 0904/2017 enthält bereits umfängliche wirkungsorientierte Vorhaben, die schrittweise im Fortschreibungszeitraum von vier Jahren umgesetzt werden. Aus der Analyse heraus ergeben sich ergänzende Ansätze, um den Herausforderungen lösungsorientiert und verantwortlich zu begegnen.

 

      Die Kooperation mit unterschiedlichen Netzwerkpartnern wird weiterhin ausgebaut. Die Identifizierung und Deckung von Bedarfen im Sozialraum steht im Fokus, um möglichst präventiv und frühzeitig Familien zu erreichen.

 

      Ende 2018 wurde durch Entfristungen im Allgemeinen Sozialdienst ein wichtiger Beitrag zur Personalbindung geleistet. Es gilt Personalakquise zu verstärken, um Personallücken stets kurzfristig schließen zu können und Weiterbildungs- und Qualifizierungsprogramme auszubauen.

 

      Organisation und Personaleinsatz orientieren sich an fachlich-administrativen Bedarfen. Die Wirtschaftliche Jugendhilfe erhält zur Regulierung von Kostenerstattungsfällen weiterhin personelle Ressourcen. Die Arbeitsgruppe für unbegleitete minderjährige Ausländer*innen wird aufgrund sinkender Fallzahlen aufgelöst. Das Personal verstärkt die Sozialzentren.

 

      Die LH Kiel vertritt in den Verhandlungen zum Jugendhilferahmenvertrag und in den Einzelverhandlungen mit Trägern unter Berücksichtigung von Qualitätsansprüchen eine kosten- und leistungsbewusste Linie. Ein Verfahren zur definierten Bewilligung von Zusatzleistungen in den Hilfen zur Erziehung wurde erarbeitet.

 

      Auf Landes- und auf Bundesebene wird die Teilnahme an den interkommunalen Vergleichsringen fortgesetzt. Die kennzahlen- und wirkungsorientierte Steuerung wird konsequent weiterentwickelt. Aus Jugendhilfemitteln finanzierte Projekte werden regelmäßig evaluiert.

 

 

 

 

 

Renate Treutel

rgermeisterin

 

 

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Anlagen

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