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ALLRIS - Drucksache

Antrag der Verwaltung - 1231/2019

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Beratungsfolge

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Antrag

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Antrag:

 

Gemäß § 28 Nr. 18. a) Gemeindeordnung Schleswig-Holstein wird einer zunächst 25%igen-Beteiligung der Städtisches Krankenhaus Kiel GmbH an der zu gründenden Gastroenterologisch-Hepatologisches MVZ Kiel GmbH zugestimmt, wobei beabsichtigt ist, dass die Höhe der Beteiligung nach frühestens sieben Jahren auf 100% steigt.

 

 

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Sachverhalt/Begründung

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Begründung:

 

1. Ausgangslage

 

Das Gesundheitssystem in Deutschland ist durch eine fortschreitende „Ambulantisierung“ gekennzeichnet. Das heißt, dass immer mehr Untersuchungen ambulant statt stationär angeboten bzw. bislang stationäre Eingriffe in den ambulanten Bereich verlagert werden. Krankenhäuser haben naturgemäß keinen Zugang zu der ambulanten Form der Diagnostik und Therapie. Aus strategischer Sicht erscheint deshalb eine Kooperation mit ambulanten Leistungserbringern zielhrend, um eine sektorübergreifende Versorgung vor allem auch im Interesse der Patienten zu erreichen.

Eine Möglichkeit für Krankenhäuser, an der ambulanten Versorgung der gesetzlich Krankenversicherten teilzunehmen, bieten Medizinische Versorgungszentren. Über Tochtergesellschaften können Krankenhäuser unter Anwendung der Zulassungs- und Abrechnungsbestimmungen der Kassenärztlichen Vereinigung wie niedergelassene Ärzte agieren.

Von dieser Möglichkeit hat die Städtisches Krankenhaus Kiel GmbH (SKK) bereits im Jahr 2005 mit der Gründung der Städtisches MVZ Kiel GmbH Gebrauch gemacht.

 

Bereits in den Strategieplanungen der Jahre 2012 und 2013 hat das Städtische Krankenhaus eine Strategie entwickelt, die im Hinblick auf die gastroenterologische Versorgung eine enge Kooperation mit ambulanten Leistungserbringern in den Fokus stellt. Die daneben vorgesehene „Aufstellung“ der Gastroenterologie als diagnostisches Zentrum am Städtischen Krankenhaus Kiel ist spätestens mit der Neuerrichtung des Funktionsbereichs Innere Medizin, der Ausweitung im Bereich der Endoskopie sowie der Vertiefung der Expertise in diesem Bereich umgesetzt worden. Im Hinblick auf die Versorgung der Patienten des Städtischen Krankenhauses ist insbesondere die viszeralmedizinisch-onkologische Versorgung hervorzuheben. Nicht nur die primär an der Versorgung beteiligten Kliniken der Gastroenterologie (3. Medizinische Klinik), der Chirurgie und der Onkologie (2. Medizinische Klinik), sondern auch die mitversorgenden Abteilungen wie die Apotheke, die Radiologie, die Labormedizin und die Pathologie sind auf Diagnostik und Therapie onkologischer Krankheiten, insbesondere im Bereich des Magen-Darm-Traktes, ausgerichtet. Der dauerhafte Zufluss von Patienten in das Städtische Krankenhaus stellt daher eine existenzerhaltende Bedingung für die Fortführung hochqualifizierter Versorgung in der gewohnten Qualität am Städtischen Krankenhaus Kiel dar.

 

Als Partner für das Städtische Krankenhaus Kiel kommt vornehmlich eine in der Versorgung breit und kompetent aufgestellte Gastroenterologische Praxis in Frage. Die vier Gastroenterologen des „Gastroenterologisch-Hepatologisches Zentrum Kiel“ (GHZ) haben, ebenso wie das Städtische Krankenhaus Kiel, bereits in der Vergangenheit die gute Vernetzung unter den Kollegen als wichtige Voraussetzung für eine zukunftsweisende Positionierung ihrer Praxis betrachtet und auch mit den nicht in ihrer Praxis tätigen Kieler Gastroenterologen eine Kooperation vereinbart.

Die ersten Gespräche zwischen dem Städtischen Krankenhaus und dem GHZ haben bereits 2012/2013 stattgefunden. Inzwischen findet die Zusammenarbeit auf einer breiten Basis statt. Seit Herbst 2016 bietet einer der Praxispartner seine Expertise im Rahmen einer entsprechenden Kooperation und Anstellung am Städtischen Krankenhaus an.

 

2. Vorhaben

 

Auch die Ärzte des GHZ sehen in der sektorübergreifenden Versorgung, also der Zusammenarbeit mit einem stationären Versorgungsanbieter, ein zukunftsweisendes Versorgungsmodell für die Kieler Patienten, so dass die Kooperation mit dem Städtischen Krankenhaus im Wege der Zukunftsgestaltung weiterentwickelt werden soll.

 

Zum einen ist die Umsiedlung der Gastroenterologisch-Hepatologischen Praxis im Rahmen der Neubauplanung für „Mein Städtisches Haus 6“ an das Städtische Krankenhaus beabsichtigt. Dadurch erhalten Patienten mit dem Besuch der neuen, Gastroenterologischen Praxis am Städtischen Krankenhaus Kiel die Chance, alle an der Versorgung beteiligten Ärzte „unter einem Dach“ anzutreffen.

 

Darüber hinaus ist eine gesellschaftsrechtliche Verflechtung zwischen dem SKK und dem GHZ geplant. Dazu soll im Jahr 2020 gemeinsam die Gastroenterologisch-Hepatologisches MVZ Kiel GmbH gegründet werden, an dem die Städtisches Krankenhaus Kiel GmbH zu 25% und drei der bislang vier tätigen Ärzte des GHZ zu insgesamt 75% beteiligt sind.

In der praktischen Umsetzung erwirbt das Städtische Krankenhaus Kiel in einer logischen Sekunde vor Gründung des MVZ von einem der vier Ärzte die Gesellschaftsanteile an der Berufsausübungsgemeinschaft. Mit Gründung des MVZ werden alle vier Kassenarztsitze unmittelbar in das MVZ übertragen. Dies erfolgt unter Zulassungsverzicht der vier Ärzte zugunsten einer Anstellung im MVZ. Während alle vier Ärzte im MVZ angestellt sind, halten nur drei von ihnen Gesellschaftsanteile am MVZ in Höhe von je 25%. Frühestens nach Ablauf von sieben Jahren scheiden die drei Ärzte als Gesellschafter des MVZ aus unabhängig davon, ob sie weiterhin als angestellte Ärzte im MVZ tätig sind. Die freiwerdenden Gesellschaftsanteile werden dann vom Städtischen Krankenhaus übernommen, das dann nach dem Ausscheiden des letzten Arztes alleiniger Gesellschafter der Gastroenterologisch-Hepatologisches MVZ Kiel GmbH wird. Es ist eine komplexe Vertragskonstruktion erforderlich, weil alle Vorgänge gleichzeitig erfolgen. Mit der Unterschrift unter Kauf-, Übertragungs-, Einbringungs- und Anstellungsverträge entsteht die neue Rechtskonstruktion, wobei diese zunächst noch durch die Kassenärztliche Vereinigung zu genehmigen ist.

 

Die Betriebswirtschaftlichen Analysen des Steuerberaters des GHZ zeigen, dass das zukünftige MVZ wirtschaftlich zu betreiben ist. Eine Prognose für die Wirtschaftlichkeit in den nächsten Jahren ist beigefügt.

 

Eine Voraussetzung zur Gründung des MVZ ist eine selbstschuldnerische Bürgschaftserklärung aller Gesellschafter. Diese Bürgschaftserklärung ist vom Städtischen Krankenhaus Kiel nach entsprechendem Aufsichtsratsbeschluss abzugeben. Sie hat den Zweck, etwaige Forderungen der Kassenärztlichen Vereinigung gegenüber dem MVZ abzusichern. Der Aufsichtsratsbeschluss zur Abgabe der selbstschuldnerischen Bürgschaftserklärung ist bereits in der Aufsichtsratssitzung vom 23. April 2019 eingeholt worden.

 

3. Chancen und Risiken

 

Mit der Beteiligung an der Gastroenterologisch-Hepatologisches MVZ Kiel GmbH ist die langfristige Existenzsicherung des Städtischen Krankenhauses innerhalb der bestehenden Rahmenbedingungen im Gesundheitswesen beabsichtigt.

Die Chancen des Modells liegen durch die sektorenübergreifende Versorgung in einer erhöhten Versorgungsqualität und Versorgungssicherheit der Patienten ganz im Sinne des gesundheitspolitischen Strukturwandels. Doppeluntersuchungen und zeitaufwändige Wege von einem zum anderen Arzt werden vermieden. Durch eine bessere Ressourcenauslastung bieten sich Synergieeffekte für alle Beteiligten.

Vor allem aber können mittel- und langfristig Patientenströme für die onkologischen Kliniken des Städtischen Krankenhauses und damit Arbeitsplätze gesichert werden. Schon die jetzige Zusammenarbeit hat spürbare positive Effekte mit sich gebracht. Auch ergeben sich Erlöspotentiale für die diagnostischen Bereiche des SKK, wie Labor, Pathologie und Radiologie.

 

Das Städtische Krankenhaus Kiel könnte den Leistungsträgern der Gastroenterologischen Klinik eine langfristige Perspektive bieten, niedergelassen tätig zu sein und dies im abgesicherten Angestelltenverhältnis. Gerade für die im Städtischen Krankenhaus ausgebildeten jungen Fachärzte bietet sich hier eine attraktive Alternative zur eigenen Niederlassung an.

 

Ein Risiko des Projektes besteht in der Akzeptanz durch die Kassenärztliche Vereinigung (KV). Die KV hat allerdings im Hinblick auf dieses Projekt nur ein sogenanntes gebundenes Ermessen auszuüben. Soweit also alle juristischen Voraussetzungen für die Umsetzung des Projektes gegeben sind, hat der Zulassungsausschuss der KV dem auch zuzustimmen. Um dennoch letzte Sicherheit zu gewinnen, wird im Vertragswerk vorgesehen, dass Kaufpreiszahlungen nur dann erfolgen, wenn die Übertragung von KV-Sitzen tatsächlich wirksam gelingt.

 

Ein weiteres Risiko besteht darin, qualifizierte Ärzte für die Tätigkeit in dem MVZ zu gewinnen. Angesichts einer zunehmenden Zurückhaltung junger Ärzte gegenüber der Niederlassung erscheint es aber sehr wahrscheinlich, dass es gelingen wird, künftig zu einer Tätigkeit in dem MVZ zu motivieren.

 

Im Wege der Beteiligung an dem MVZ übernimmt das SKK einen Teil des wirtschaftlichen Risikos, der bei der Beteiligung an einem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb naturgemäß entsteht. Die betriebswirtschaftlichen Analysen des Steuerberaters des GHZ zeigen jedoch, dass das MVZ wirtschaftlich zu betreiben ist, sodass dieses Risiko als gering eingeschätzt wird. Weiterhin wird die Kaufpreiszahlung des SKK durch die Beteiligung an den Gewinnen des MVZ und durch die breit angelegte Zusammenarbeit innerhalb von 5 bis 10 Jahren amortisiert, sodass auch die Refinanzierung der Investition sichergestellt wird.

 

Aufgrund steuerrechtlicher Vorgaben ist das oben beschriebene Modell nur durch den Eintritt des SKK in die Berufsausübungsgemeinschaft, die als Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) geführt wird, glich. Dadurch ergibt sich ein Haftungsrisiko für das SKK. Auch wenn das SKK nur für eine logische Sekunde Mitgesellschafter an der GbR wird, haftet es im Außenverhältnis während genau dieser einen Sekunde unbeschränkt. Im Innenverhältnis lässt sich eine Haftung seitens des SKK durch den Übertragungsvertrag komplett ausschließen, so dass auch an dieser Stelle für eine Risikominimierung gesorgt ist

 

4. Vorgaben der Gemeindeordnung Schleswig-Holstein (GO)

 

Als 100%ige Eigentümerin der Städtisches Krankenhaus Kiel GmbH hat die Landeshauptstadt Kiel ein wichtiges Interesse an der Beteiligung an der Gastroenterologisch-Hepatologisches MVZ Kiel GmbH, da es langfristig der Existenzsicherung des SKK dient. Gleichzeitig wird die Möglichkeit eröffnet, an der ambulanten Versorgung im Gesundheitswesen teilzunehmen.

 

Im ausgehandelten Gesellschaftsvertrag, der als Anlage beigefügt ist, sind alle Vorgaben des § 102 Absatz 2 GO berücksichtigt worden. Außerdem sind Vetorechte für den Minderheitsgesellschafter Städtisches Krankenhaus Kiel GmbH verankert worden.

 

Der Aufsichtsrat der Städtisches Krankenhaus Kiel GmbH hat sich in mehreren Sitzungen mit dem Projekt auseinandergesetzt und befürwortet es. In seiner Sitzung am 27. Februar 2019 hat der Aufsichtsrat den Geschäftsführer beauftragt, alle notwendigen Beschlüsse einzuholen und alle weiteren Schritte vorzubereiten.

 

r das Städtische Krankenhaus Kiel ist dieses Projekt von starker Bedeutung für eine langfristige Existenzsicherung, nicht nur im Bereich der Gastroenterologie, sondern gerade auch für die Chirurgische Klinik, für die Onkologische Klinik und, nicht zu vergessen für die medizinischen Dienstleistungsbereiche.

 

 

 

 

 

 

Dr. Ulf Kämpfer

Oberbürgermeister

 

 

Anlagen

 

 

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Anlagen

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