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ALLRIS - Drucksache

Geschäftliche Mitteilung - 0591/2022

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Beratungsfolge

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Antrag

Antrag:

 

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Sachverhalt/Begründung

 

Die Landeshauptstadt Kiel hatte in den vergangenen fünf Jahren seit 2017 mit dem Wohnquartier zwischen Wischhofstraße, Schönberger Straße, Klausdorfer Weg und Ostring in Ellerbek/Wellingdorf am ExWoSt (Experimenteller Wohnungs- und Städtebau) - Forschungsprojekt „Aktive Mobilität in städtischen Quartieren“ teilgenommen und zahlreiche bauliche Maßnahmen umgesetzt und evaluiert.

 

Das durch Bundesmittel aus dem Forschungsprogramm Experimenteller Wohnungs- und Städtebau (ExWoSt) geförderte Projekt „Aktive Mobilität in städtischen Quartieren“ forciert die Stärkung aktiver Mobilitätsformen wie Rad- und Fußverkehr. Kerngedanke des Projektes in Kiel war das Motto „bespielbares Quartier“. Dieses Motto für den öffentlichen Straßenraum ist aus dem vom Land Schleswig-Holstein geförderten Modellprojekt „Wohnen mit Kindern in der Stadt“ (Drs. 0570/2014) und dem Fußwegeachsen- und Kinderwegekonzept (Drs. 0424/2015) entstanden.

 

Neben Kiel haben die Städte Köln, Aachen und Leipzig teilgenommen. Unter der Federführung des Bundesinstitutsr Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) wurden die Projekte intensiv wissenschaftlich durch die RWTH Aachen, die TU Dresden, die Hochschule Bochum sowie die Planungsbüros Büro Kaulen (Aachen) und planersocietät (Dortmund) als Forschungsassistenz begleitet. Eingebunden war auch das Umweltbundesamt über das Projekt Modellvorhaben „Nachhaltige Stadtmobilit“.

 

Was wurde gemacht?

 

Das Maßnahmenkonzept sah sowohl baulichen Maßnahmen als auch Mobilitätsmanagement sowie begleitende kleinere Projekte der Quartiersbewohner*innen vor.

 

Beteiligung und Öffentlichkeitsarbeit

 

Projektbegleitung durch das Quartiersbüro Wahlestraße
Die Maßnahmen wurden 2017 entwickelt und im Ortsbeirat vorgestellt und beraten. Vorausgegangen waren zielgruppenspezifische Beteiligungsformate mit Senior*innen, Sportvereinen sowie Kindern und Jugendlichen, welche durch Mitarbeiter*innen des Stadtteilbüros Ost und des Kinder- und Jugendbüros der LH Kiel vorgenommen wurden. Aber auch auf mehreren Straßenfesten in der Wellingdorfer Straße bzw. der Wahlestraße konnten Anregungen und Ideen weitergegeben werden. Auch das jährlich stattfindende Mobilitätsfest wurde 2019 am Tilsiter Platz durchgeführt.r verschiedene Teilprojekte wurden zudem ergänzend

rger*innendialoge im Quartiersbüro Wahlstraße durchgeführt (u. a. Mobilitätsstation

Tilsiter Platz).

 

Das Projekt wurde durch das Quartiersbüro Wahlestraße über die gesamte Laufzeit begleitet. So konnte eine Projektsprechstunde eingerichtet werden, wo alle Bürger*innen sich über das Projekt informieren konnten. Im Quartiersbüro gab es auch die Möglichkeit, ein Lastenrad, welches eigens für das Projekt angeschafft wurde, zu leihen. Das Lastenrad wurde zeitweise mehrfach in der Woche verliehen und wurde auch durch das Quartierbüro für Transporte im Quartier verwendet.

 

Im Ortsbeirat gab es über die gesamte Projektlaufzeit eine intensive Beratung. r alle Maßnahmen wurde in der Regel ein einstimmiges Votum gefasst. Die Beschlüsse im Bauausschuss bzw. in der Ratsversammlung erfolgten über das i. d. R. hrlich fortgeschriebene Programm Fußverkehr.

 

Quartiersfonds

Ein Quartiersfonds hatte das Ziel, aktive Mobilitätsformen durch kleine Projekte aus der Bürgerschaft zu unterstützen. Insgesamt konnten 12 Projekte umgesetzt werden: u. a. Fahrradselbsthilfewerkstatt,chertauschkasten (beides am Wellingdorfer Wohnzimmer), Aktion bunte Räder, Fotospaziergang Wellingdorf im Wandel u. a.

 

Etablierung von Mobilitätsangeboten

Die Projektziele wurden ergänzend durch neue Mobilitätsangebote im Quartier wie CarSharing, Sprottenflotte sowie den Verleih des für das Projekt angeschafften Lastenrads unterstützt. Mit diesen Angeboten gibt es jetzt auch im ExWoSt-Quartier die Möglichkeit, einen selten genutzten privaten Pkw abzuschaffen, so dass weniger private und öffentliche Flächen zum Parken benötigt werden.

 

Anpassung der Verkehrsführung

Veränderung der Verkehrsführung zur Verringerung des Durchgangsverkehrs und Verkehrsberuhigung auf den Schulwegen in der Wellingdorfer Straße durch die Unterbindung der Durchfahrt in Richtung Klausdorfer Weg und in der Kieler Kuhle durch Herausnahme des Kfz-Verkehrs im Abschnitt zwischen Kinderspielplatz und Timkestraße. 

 

Entwicklung von bespielbaren Elementen für den Straßenraum

r die Umgestaltung der Straßenräume wurden bespielbare Elemente entwickelt. Ziel war es, kleine bauliche Elemente zu entwickeln, die aus Standardmaterialien im Straßenbau oder durch einfach zu unterhaltende Gegenstände bestehen. Außerdem sollten keine klassischen Spielgeräte aufgestellt werden, wie sie z. B. auf Spielplätzen genutzt werden. Es ging vielmehr darum, Gegenstände im Straßenraum aufzustellen, die sowohl als Gestaltungselement, aber auch zum Spielen genutzt werden können.

 

So entstanden bzw. entstehen in Kürze (Wellingdorfer Straße):

 

  • eine Betonwelle, die zum Sitzen oder Balancieren genutzt werden kann (Kieler Kuhle, Wellingdorfer Straße),
  • ein Teppich aus Standardklinkersteinen, der zum Hüpfen genutzt werden kann (Wellingdorfer Straße),
  • ein Walfisch aus Feldsteinen, der zum Klettern vor der Kita genutzt werden kann (Erlenkamp) sowie
  • eine autofreie Asphaltfläche in der Kieler Kuhle, die zum Radfahren, Skaten und Rollern genutzt wird.

 

Bauliche Maßnahmen

Um schnell Verbesserungen im Quartier erreichen zu können, wurden einige Maßnahmen zunächst durch Interimslösungen umgesetzt. Dieses Vorgehen wurde gewählt, da die Planung und Umsetzung von Baumaßnahmen in der Regel mehrere Jahre in Anspruch nimmt, um neben den eigentlichen Straßenbauarbeiten auch Arbeiten an den Versorgungsleitungen (u. a. Kanäle) vornehmen zu können.

 

  • Wellingdorfer Straße: Schaffung eines Platzbereiches des „Wellingdorfer Wohnzimmers“ in zwei Schritten:
    2018: Abgrenzung Platzbereich als Aktionsraum „Wellingdorfer Wohnzimmer“,

2022: dauerhafte bauliche Umgestaltung, vorher Kanalarbeiten,

  • Kieler Kuhle: Umgestaltung zum Kinderweg in zwei Schritten:
    2018: Sperrung des Teilabschnitts in Höhe Kinderspielplatz für den Kfz-Verkehr,

2021: dauerhafte bauliche Umgestaltung mit Aufwertung des Gehweges durch bespielbare Elemente (Betonwellen) und Baumpflanzungen,

  • Barrierefreier Umbau Danziger Straße:

Im Sommer/ Herbst 2020 wurden die Gehwege neu gepflastert und an den Kreuzungen Havemeisterstraße, Erlenkamp, Kieler Kuhle und Kuchelstraße Gehwegnasen eingebaut und die Bordsteine abgesenkt. Außerdem wurden Blindenleitelemente in Form von weißen Rillenplatten verlegt und Fahrradbügel aufgestellt (Fertigstellung November 2020).

  • Erlenkamp: Bau einer Rampe anstelle einer Treppe, Herstellung eines Walfisches als bespielbares Element aus Feldsteinen (Fertigstellung Ende 2018),
  • Bau von Querungsinseln im Klausdorfer Weg in Höhe Erlenkamp und Hangstraße
    (Fertigstellung 2021),
  • Bau einer Querungsinsel in der Wischhofstraße in Höhe Altenteichstraße 
    (Fertigstellung Anfang 2019),
  • Fahrradschutzstreifen im Klausdorfer Weg, Markierungsarbeiten im Anschluss an Kanalarbeiten und Fahrbahnerneuerungsarbeiten (Fertigstellung 2021),
  • Radfahrstreifen und Erneuerung der Gehwege in der Wischhofstraße (Fertigstellung Anfang 2019 bzw. Frühjahr 2022),
  • Mobilitätsstation am Tilsiter Platz:
    2017: Einrichtung CarSharing-Station,
    2018: Einrichtung einer Station der Sprottenflotte,

2021: bauliche Umgestaltung des Straßenraums nach dem Gestaltungsmuster der KielRegion www.kielregion.de/mobilitaetsstationen/  mit Einrichtung weiterer Elemente
(bikeport (Fahrradgarage), Luftpumpe, eScooter-Abstellfläche).

 

Ergänzend wurden im Quartier im Rahmen der sogenannten „Fertigerwochen die Radwege saniert. So haben die Radwege im Erlenkamp und Radsredder neuen Asphalt bekommen. In der Schönberger Straße wurden die Radwege in Abschnitten verbreitert und neu gepflastert sowie die Gehwege in den einmündenden Straßen erneuert. Zuletzt erfolgte auch die Erneuerung von Geh- und Radwegen am Ostring zwischen Auffahrtsrampe Wehdenweg und Wischhofstraße.

 

Innerhalb des Projektzeitraumes konnte außerdem der Straßenausbau zur Erschließung von vor einigen Jahren neu errichteter Wohnbebauung in der Kieler Kuhle abgeschlossen werden. In diesem Zusammenhang wurde auch die Fußwegeverbindung zur Kuchelstraße umgestaltet und barrierefrei ausgebaut.

 

Zum Projektabschluss wurde eine Broschüre erstellt, die als Anlage beigefügt ist. Darin wurden die verschiedenen Maßnahmen beschrieben und durch Fotos illustriert. Auf der Internetseite www.kiel.de/akivemobilitaet sind die verschiedenen Maßnahmen dargestellt und auch Fotos der Projekte abrufbar.
 

Evaluation

Die ExWoSt-Projekte in den vier teilnehmenden Städten wurden wie eingangs erwähnt intensiv evaluiert. Es gab eine Prozessevaluation und eine Ergebnisevaluation durch eine Online-Befragung und Verkehrserhebungen bzw. qualitative Beobachtungen, die in Kiel in Form einer sogenannten Heat Map dargestellt wurden.

 

Als Ergebnis der Online-Befragung sst sich festhalten, dass die umgesetzten Projekte in allen Städten

  • überwiegend wahrgenommen werden,
  • die streckenbezogenen Maßnahmen häufiger als punktuelle wahrgenommen werden,
  • die Projekte überwiegend positiv gesehen werden und
  • in Quartieren mit höherer Kfz-Nutzung (wie z.B. im Modellquartier in Kiel) wegen des Wegfalls von Parkmöglichkeiten von einem höheren Anteil auch negativ bewertet werden.

 

Die Ergebnisse der Verkehrserhebungen nnen noch nicht abschließend bewertet werden, da die Maßnahme Wellingdorfer Straße erst in diesem Jahr abgeschlossen wird und die Kieler Kuhle gerade fertiggestellt worden war als die Erhebung durchgeführt wurde, so dass sich noch keine normale Nutzung eingestellt hatte. Auch die Auswirkungen der Corona-Pandemie spiegeln sich in den Ergebnissen wider, so dass bisher keine signifikante Zunahme der

Passant*innenströme festgestellt werden konnte. Es zeichnet sich aber ab, dass eine Verlagerung der Fußverkehrs in der Kieler Kuhle und auch in der Wellingdorfer Straße von den Gehwegen hin zur Nutzung der Kfz-freien Straßenfchen gab.

 

Die Ergebnisse der Evaluation und der Abschlussbericht des Umweltbundesamtes (UBA) ist auf der Webseite des UBA bereitgestellt:
MONASTA Abschlussbericht (umweltbundesamt.de)
 

Fazit

Der im ExWoSt-Quartier in Ellerbek/Wellingdorf gewählte Quartiersansatz mit einer stufenweisen Umsetzung der Maßnahmen hat sich aus Sicht der Verwaltung bewährt. Auch in anderen Quartieren sollnftig ähnlich verfahren werden. Dabei können die Erfahrungen aus Ellerbek/Wellingdorf genutzt werden. Es hat sich beispielsweise gezeigt, dass der bei Projektbeginn gewählte Zeitraum für die Umsetzung der Maßnahmen innerhalb von 3 Jahren in allen Städten nicht ausreichend war und um 1,5 Jahre verlängert wurde.

 

nftig wird daher folgendes Vorgehen in Stufen vorgeschlagen:

 

  • 1-2 Jahre: Konzeption mit Bürger*innendialog, kurzfristige Maßnahmen u. a. temporäre Maßnahmen, Mobilitätsangebote, Verkehrsführung, Parkordnung,
  • 3 Jahre: kleinere bauliche Maßnahmen ohne Kanalarbeiten und ggf. Parkraumbewirtschaftung wie z. B. Bewohner*innenparken,
  • > 3 Jahre: größere bauliche Maßnahmen (mit Kanalarbeiten) wie den barrierefreien Umbau von Straßen, Straßenausbau mit fahrradfreundlichen Belägen.

 

Derzeit sind Quartiersmobilitätskonzepte für das Stinkviertel (Drs. 0191/2020 und 0521/2021) und das Französische Viertel (Drs. 0797/2020) in Vorbereitung bzw. in der Umsetzung. Auch das Mobilitätskonzept Ruhender Kfz-Verkehr sieht die Umsetzung der Maßnahmen im Rahmen von Quartiersmobilitätskonzepten vor. Anders als im ExWoSt-Projekt in Ellerbek/

Wellingdorf wird daher in neue Projekte auch das Thema Parkraumbewirtschaftung mit Bewohner*innenparken integriert.

 

 

 

 

Doris Grondke

Stadträtin

 

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Anlagen

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