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ALLRIS - Drucksache

Geschäftliche Mitteilung - 0124/2007

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Beratungsfolge

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Sachverhalt/Begründung

       I.     Anlass für die Geschäftliche Mitteilung

 

Im Beirat für Menschen mit Behinderungen ist die Anschaffung von Evakuierungsstühlen für die Rettung gehbehinderter Menschen in Brandfällen u. a. in den Rathäusern diskutiert worden. Im Benehmen mit der Feuerwehr hält die Bauverwaltung die Anschaffung für diesen Zweck für nicht erforderlich. Der Ausschuss für Soziales, Wohnen und Gesundheit hat in seiner letzten Sitzung schriftlichen Aufklärungsbedarf hierfür verlangt.

 

     II.     Welchen Zweck erfüllen Evakuierungsstühle?

 

Evakuierungsstühle sind Transportmittel, mit denen eine – geschulte - Person ohne große Kraftanstrengung in der Lage ist, einen gehbehinderten oder transportunfähigen Menschen von A nach B insbesondere über Treppen zu verbringen. Die Feuerwehr nutzt Evakuierungsstühle bei Krankentransporten in hohen Häusern mit engen Treppenfluren nicht zuletzt, weil sie auch der Gesundheitsvorsorge der Mitarbeiter dienen (z. B. Schutz vor Rückenerkrankungen).

 

   III.     Warum ist es dann nicht per se´ sinnvoll, Evakuierungsstühle in öffentlichen Gebäuden bereitzustellen?

 

Gehbehinderte Menschen erreichen die öffentlichen Gebäude der Stadt in der Regel mit den eigenen Hilfsmitteln wie zum Beispiel mit Rollatoren oder Rollstühlen. Um die Erreichbarkeit sicherzustellen, hat die Landeshauptstadt vor allem die publikumsintensiven  Gebäude weitgehend und mit beträchtlichen Mitteln barrierefrei ausgerüstet. Die Fortbewegung innerhalb der Rathäuser ist daher auch für gehbehinderten Menschen grundsätzlich möglich, ohne dass es „öffentlicher“ Evakuierungsstühle bedürfte.





  IV.     Ist die Anschaffung aber nicht jedenfalls für evtl. Brandsituationen sinnvoll?

 

Nein. Evakuierungsstühle sind in den öffentlichen Gebäuden nicht gesetzlich (feuerpolizeilich) vorgeschrieben. Aus fachlicher Sicht ist daher zunächst einmal auf das Konzept für die Evakuierung von gehbehinderten Mensch in den Gebäuden der Stadt hinzuweisen: Nach dem Konzept ist vorgesehen, dass in den Rathäusern gehbehinderte Menschen im Brandfalle in rauchfreie Brandabschnitte flüchten oder verbracht werden und dass von dort aus eine Rettung über rauchfreie Ausgänge erfolgt (vorrangig horizontale Rettung). Mit erheblichen Aufwendungen sind solche – schnell erreichbaren - Brandabschnitte mit Feuer- und Rauchschutztüren in den Rathäusern errichtet worden. Für den Gehbehinderten selbst - und notfalls mit nichtprofessionellen Helfern - bleibt die Zeit, mit eigenen Geh- und Fahrhilfen die Evakuierung planmäßig nach dorthin zu kommen. Hierfür werden keine Evakuierungsstühle gebraucht. Die Feuerwehr ist innerhalb von ca. 5  Minuten an den Rathäusern und kann die Rettung schnell, professionell und sicher vornehmen.

 

    V.     Verwendet die Feuerwehr nicht selbst Evakuierungsstühle im Brandfalle?

 

Nein. Die Feuerwehr setzt in verrauchten Bereichen keine Evakuierungsstühle ein, vor allem dann nicht, wenn es um die Rettung mehrerer gehbehinderter Menschen aus oberen Stockwerken geht. Dies ist viel zu umständlich. Zwei Wege mit den Evakuierungsstühlen schließen sich generell aus. Dies gilt erst Recht für nichtprofessionelle Helfer.

 

  VI.     Die Feuerwehr ist trainiert. Wären Evakuierungsstühle für weniger professionelle Helfer nicht eine Erleichterung, insbesondere wenn sie selbst im Brandfalle ängstlich werden?

 

Evakuierungsstühle verbessern – wie unter IV dargelegt - nicht die objektive Rettungslage. Der Einwand, dass der „auf Flucht programmierte“ – gesunde - Mensch erst mit einem Evakuierungsstuhl in Stand versetzt wird, zu helfen, ist nicht stichhaltig. Denn derjenige der nach Alarmierung tatsächlich in Panik gerät, wird auch nicht erst zum Aufstellungsort des Evakuierungsstuhls eilen und den Stuhl zum Einsatz bringen. Schon diese Vorstellung birgt den Aspekt der Unpraktikabilität in sich. Hier hilft schnelles und beherztes Handeln. Der nichtprofessionelle Helfer könnte den gehbehinderten Menschen eher gefährden, wollte er untrainiert einen Evakuierungsstuhl zum Beispiel auf Treppen nutzen.

 

 VII.     Gibt es Alternativen zum Evakuierungsstuhl?

 

Es steht eine preisgünstige Alternative zur Verfügung: Rettungsdecken. Diese werden zum Beispiel regelmäßig in Altenwohnheimen vorgehalten.

 

VIII.     Spielen finanzielle Erwägungen bei der Entscheidung eine Rolle?

 

Ja. Der Rat der Landeshauptstadt Kiel hat sich mit Verabschiedung der strategischen Oberziele zum Ziel gesetzt, den Haushalt zu konsolidieren. Die Bauverwaltung hat  dabei einen bedeutenden Anteil zu leisten. Sie ist aufgrund des Sparkurses zu Recht u. a. gezwungen, baufachliche Standards zu überprüfen. Die Verwaltung ist nach dieser Beschlusslage zudem gehalten, den Eckwertbeschluss einzuhalten und möglichst für den „gesetzlichen“ Mindeststandard zu sorgen. Überobligatorische Ausgaben sollten sich ausschließen bzw. nur dann erfolgen, wenn eine Dringlichkeit aus welchen Gründen auch immer besteht. Und dies ist bei der Anschaffung von  Evakuierungsstühlen aus Gründen der Rettung im Brandfalle fachlich nicht der Fall. Wenn Evakuierungsstühle keine objektive Verbesserung der feuerpolizeilichen Situation erbringen, ist die Anschaffung bei Abwägung nicht vertretbar. Ein Evakuierungsstuhl kostet 2000,00 Euro. Angeregt wurde die Anschaffung von 6 Stühlen im Gesamtwert von 12.000 Euro. Hinzu kommen die Kosten der Schulung (2 X Training pro Jahr) und der sonstige Verwaltungsaufwand für Unterbringung, Wartung usw. Außerdem wäre mit der Anschaffung der Einstieg in eine Standarderhöhung für all unsere Gebäude verbunden, die aus Sicht der Verwaltung nicht vertretbar ist.

 

 




Peter Todeskino
Bürgermeister

 

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