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ALLRIS - Drucksache

Antrag der Verwaltung - 0903/2019

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Beratungsfolge

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Antrag

Antrag:

 

  1. Die Landeshauptstadt Kiel richtet ihre Haushalts- und Finanzplanung entsprechend den nachfolgenden Grundsätzen einer nachhaltigen Finanzwirtschaft aus.

 

  1. Über die Umsetzung und Weiterentwicklung ist halbjährlich - erstmals mit dem Finanzbericht 2020 (Halbjahresbericht) - zu berichten.

 

 

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Sachverhalt/Begründung

Begründung:

 

Die Landeshauptstadt Kiel hat eine weiterhin herausfordernde Haushalts- und Finanzlage und wird voraussichtlich auch für die nächsten Jahre Konsolidierungshilfen vom Land Schleswig-Holstein erhalten (vgl. Vorlage 0549/2019).

 

In den letzten Jahren konnten Überschüsse im Ergebnisplan erwirtschaftet werden und in 2019 wurde erstmals im Haushaltsplan ein Überschuss geplant. Dieser wird auf Basis des Finanzberichtes zum Halbjahr 2019 (vgl. Vorlage 0806/2019) unter aktuell schwieriger werdenden konjunkturellen Rahmenbedingungen bestätigt. Erstmals seit langer Zeit wird in 2019 kein Nachtrag zum Haushaltsplan notwendig.

 

Wie die Wirtschaftslage und die Konjunktur sich zukünftig entwickeln werden ist ungewiss. Auf Basis der in den letzten Jahren erreichten Verbesserungen muss die Sicherung der Handlungsfähigkeit der Landeshauptstadt Kiel jedoch weiter höchste Priorität haben.

 

Ziel einer Nachhaltigen Finanzwirtschaft soll bei der notwendigen grundsätzlichen Disziplin beim Haushalten und der Anwendung wie steter Weiterentwicklung der Grundsätze die Verbesserung der Handlungsfähigkeit über konjunkturelle Rahmenbedingungen hinweg sein.

 

Sie ist eine langfristig angelegte Strategie, die Ertrags-, Aufwands- und Leistungsseite im Zusammenhang darstellt und kein Politikfeld bzw. Verantwortungsbereich von vornherein ausklammert. Dabei werden die Ziele, die Herausforderungen und Entwicklungsperspektiven im Haushalt der Landeshauptstadt in einer Strategie verknüpft.

 

Besondere Bedeutung kommt dabei der Abbildung von Zielen und Maßnahmen im Haushalt zu. Dies soll durch eine Abbildung der politischen Schwerpunktsetzungen erreicht werden („eine Strategie wird im Budget konkret“) und auf nachhaltige Wirkung ausgerichtet sein. Ferner bedarf eine erfolgreiche Umsetzung der regelmäßigen Berichterstattung und des Austausches zwischen Selbstverwaltung und Verwaltung auf Basis möglichst aktueller Daten in einem digitalen Format („Politik-Portal“).

 

Perspektivisch kann eine nachhaltige Finanzwirtschaft Kern einer Nachhaltigkeitsstrategie werden (unter Berücksichtigung von Ökonomie, Ökologie, Bildung und sozialen Aspekten), die Nachhaltigkeit als verpflichtenden Bestandteil sieht und diese in allen Planungen und Maßnahmen einschließlich ihrer Umsetzung berücksichtigt.

 

Eine nachhaltige Finanzwirtschaft heißt mit dem Geld auskommen, um generationsgerecht zu wirtschaften und gleichzeitig die Zukunft der Landeshauptstadt Kiel zu gestalten.

 

 

Grundsätze

 

  1. Eigenanstrengungen als Voraussetzung

 

Ein im Ergebnis ausgeglichener Ergebnishaushalt und ein - wenn möglich - weiterer Abbau der aufgelaufenen Defizite sind Gradmesser für eine nachhaltige Finanzwirtschaft. Ein negatives Ergebnis heißt, über die Verhältnisse zu leben. In Hinblick auf die Historie der finanziellen Entwicklung und die allgemein unsicheren Rahmenbedingungen kann ein negatives Ergebnis nicht ausgeschlossen werden, sollte aber immer durch ein höchst mögliches Maß an Eigenanstrengungen vermieden werden.

 

Die Haushaltsgrundsätze der Notwendigkeit sowie der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit sind elementar und durchgängig zu berücksichtigen. Ausweitung und Aufnahme neuer freiwilliger Aufgaben, sowie Standardausweitungen sind zu begrenzen und bedürfen eines Beschlusses der Selbstverwaltung einschließlich der Darstellung ihrer Finanzierung. Begonnene und geplante Prozesse sollten zu einer Steigerung der Effizienz des Handelns und effektiveren Gestaltung von Aufgaben führen.

 

Die Verstetigung der Investitionen auf einem hohen Niveau (Ziel rd. 10% am Gesamthaushalt) ist aufgrund des in den letzten Jahrzehnten aufgelaufenen Sanierungsstaus unabdingbar, wie auch ihre Finanzierung auf Kredit. Die Investitionen sind im Zusammenhang mit Folgekosten für den Ergebnishaushalt darzustellen und im Rahmen des aktuell in Aufbau befindlichen „Bauinvestitionscontrolling“ nachzuhalten.

 

Insbesondere ist eine belastbare Finanzplanung notwendig, um die Vorbelastungen (Sanierungsstau, Schulden) und Risiken (gesetzlichen Leistungen, Personalaufwand, Zinsen) in Abwägung mit politischen Schwerpunkten abzuwägen und mittelfristig zu steuern.

 

Die bereits in diesem Jahr erfolgte Einführung eines Berichtswesens („COAST“ und das „Politik-Portal“) mit einem kontinuierlichen Monitoring ermöglichen Transparenz und unterjährige Steuerungsmöglichkeiten. Ein quartalsweiser Prognoseprozess und die Anbindung wesentlicher Fachanwendungen stärken und fordern die dezentrale Ressourcenverantwortung.

 

Essentiell ist es, die Darstellung der finanziellen Auswirkungen in Vorlagen schnell einheitlich  umzusetzen und verbindlich anzuwenden. Eine Beschlussfassung der Selbstverwaltung mit finanziellen Auswirkungen ist zentrales Element politischer Willensbildung und bedarf jeweils einer konkret bestimmten Ermächtigung im Haushalt.

 

Das an das Berichtswesen anschließende Politik-Portal und die Darstellung der finanziellen Auswirkungen in Vorlagen stärken das Verhältnis zwischen Selbstverwaltung und Verwaltung hinsichtlich der Verbindlichkeit und Konkretheit.

 

 

  1. Verlässliche Rahmenbedingungen von Bund und Land

 

Die Erträge aus dem kommunalen Finanzausgleich (Artikel 57 Absatz 1 der Landesverfassung und Finanzausgleichsgesetz) sind erheblich und werden nach einem Urteil durch das Landesverfassungsgericht aktuell überprüft. Eine ab 2021 geringere Zuweisung an die Landeshauptstadt Kiel ist angesichts der weiter herausfordernden Finanzlage nicht hinnehmbar.   

Ein erheblicher Anteil der Aufwendungen für gesetzliche Leistungen, auf die nach bundes- oder landesgesetzlicher Grundlage ein Rechtsanspruch besteht, können bei Fallzahl und -kostensteigerungen nur begrenzt beeinflusst werden. Auch sind künftig überproportionale Zuwächse bei Aufwendungen und Aufgaben (zuletzt Pflegestärkungsgesetz, Unterhaltsvorschuss, Bundesteilhabegesetz, Ausbau Kindertagesbetreuung) aufgrund bundes- und landesgesetzlicher Regelungen bereits absehbar bzw. wahrscheinlich. Viele aktuelle Beispiele zeigen, dass die Gesetzgebung des Bundes und des Landes diese Zuwächse bei Aufwendungen und Aufgaben nicht ausreichend kompensiert bzw. strukturell sichert.

 

Eine der Gesetzgebung folgende sog. „Konnexität“ ist einzufordern und vom Bund wie Land zwingend zu gewährleisten. Andernfalls bedingen diese Maßnahmen bzw. nicht verlässliche Rahmenbedingungen Risiken in Millionenhöhe für den Haushalt der Landeshauptstadt Kiel.

 

 

  1. Strategische Ausrichtung und Schwerpunkte im Haushalt darstellen

 

Der Haushaltsplan und die Finanzplanung bestimmen die Rahmenbedingungen der Entwicklung der nächsten Jahre. Statt ausschließlicher Ressourcenorientierung und Abbildung der Organisation sollte die strategische Ausrichtung und eine Schwerpunktsetzung im Haushalt abgebildet werden.

 

Sog. „Programmziele“nnten strategische Zielsetzungen organisationsübergreifend abbilden. Ein erster Schritt in Richtung einer Ziel- und Leistungsorientierung ist der bereits vorliegende produktorientierte Haushalt (Budgets, Teilpläne).

 

Anknüpfungspunkt wären - ggf. bei Anpassung durch die Selbstverwaltung - die bestehenden strategischen Ziele[1]. Aktuelle Strategien wie die Gesamtstrategie (vgl. Vorlage 0113/2019 „Entwicklung einer Gesamtstrategie für die Verwaltungsmodernisierung“) oder „Kiel 2042“ (vgl. Vorlage 1205/2018 „Entwicklung einer Zukunftsstrategie „Kiel 2042“) sollten einbezogen werden.

 

 

  1. Wirkungsorientierung entwickeln und mit Organisation verknüpfen

 

Zunehmende Anforderungen an das Verwaltungshandeln einerseits und knappe Ressourcen anderseits machen die Überprüfung der Wirksamkeit … vor dem Hintergrund angestrebter Ziele … zur wesentlichen aktuellen Herausforderung aller Kommunen.“[2]

 

Elemente der Ziel- und Wirkungssteuerung sind entsprechend der strategischen Ausrichtung zu entwickeln und sukzessive im Haushaltsplan (ab Haushaltsplan-Entwurf 2021) zu ergänzen. Ein sog. „Leistungszweck“ (Ziele, Kennzahlen und Kennzahlenwerte) soll die Ressourcendarstellung ergänzen und im Berichtswesen bewertet und berichtet werden.

 

Die Struktur des Haushaltsplans soll sich zukünftig an der Verantwortungsstruktur der Ämter ausrichten, um den Steuerungsansatz zu stärken, ohne dabei die produktorientierte Darstellung zu verlassen. Ansätze wie „Gender Budgeting“nnten in diesem Rahmen aufgenommen und weiterentwickelt werden.

 

 

  1. Menschen, Stellen und Budget im Einklang

 

Der Stellenplan ist verbindlicher Teil des Haushaltsplans und Voraussetzung, um ein Amt zu verleihen (§ 28 HGrG). Ein entsprechendes Personalbudget (Personal- und Versorgungsaufwendungen) ist bedarfsgerecht zu veranschlagen und zu ermächtigen. Es stellt den größten Posten im Aufwand der Landeshauptstadt dar. Die Stellenbesetzungsquote (Ziel: 95%) und die Personalaufwendungen sind wichtige Steuerungsgrößen. 

 

Der hohe Stellenaufwuchs der letzten Jahre (rd. 700 Neu-Stellen in den letzten fünf Jahren) wird die nächsten Jahre nicht in diesem Umfang fortgesetzt werden können. Die Aufgabenwahrnehmung muss zukünftig noch stärker entsprechend den Schwerpunkten und Zielen priorisiert werden. Darüber hinaus muss - zumindest teilweise - die altersbedingte Fluktuation (ab 2020 rd. 65 Stellen pro Jahr) genutzt werden, um sich von Aufgaben zu trennen, sie effizienter zu gestalten bzw. um Mehrbedarfe an anderer Stelle zu kompensieren. In der Finanzplanung ist ein Stellenaufwuchs von maximal 50 Stellen pro Jahr als Orientierungsrahmen vorgesehen.

 

Aufgrund des akuten Fachkräftemangels muss die Position einer attraktiven Arbeitgeberin ausgebaut werden. Auch Aspekte des Gesundheitsmanagements sollten aufgrund der hohen Fehlzeitquote (rd. 9% in 2018) mit mehr Aufmerksamkeit bedacht werden. Beides wurde mit dem Schwerpunkt „Personal stärken“ (vgl. Vorlage 0567/2019) angegangen und wird aktuell in der Personalstrategie konkret.

 

 

  1. Veranschlagung der Erträge beachten

 

Die Veranschlagung der Erträge aus Steuern bestimmt maßgeblich das Ergebnis und damit den zur Verfügung stehenden Aufwandsrahmen. Diese Veranschlagungen sollten vorsichtig anhand langjähriger Durchschnittswerte und nicht orientiert an Spitzenwerten geplant werden.

Wichtig ist auch, die Veranschlagung der Erträge aus Entgelten und Gebühren regelmäßig zu überprüfen und ggf. anzupassen. Dies könnte einheitlich jährlich im Rahmen der Aufstellung des Haushaltsplan-Entwurfes erfolgen und parallel zum Haushaltsbeschluss debattiert und beschlossen werden („Sammelvorlage“). Der Verzicht von Anpassungen sollte zukünftig beschlossen werden und somit die Anpassung zur Regel werden.

 

 

  1. Investitionsplanung langfristig ausrichten und kostenstabil bauen

 

Aufgrund der in der Vergangenheit unzureichenden Investition bzw. Unterhaltung des Anlagevermögens (u. A. Gebäude, Verkehrsinfrastruktur) ist inzwischen ein erheblicher Sanierungsstau entstanden. Dieser würde weiterwachsen, wenn nicht ausreichend Investitionen und Unterhaltungsmittel vorgesehen werden.

 

Um die Handlungsbedarfe und die daraus resultierenden Finanzbedarfe aufzuzeigen, sollte die Investitionsplanung langfristig auf einen Zeitraum von 12 Jahren ausgebracht werden. Ferner könnte eine politische Einigung über die Prioritäten erfolgen (sog. „Investitionskorridor“). Die einzelnen Maßnahmen müssten dann jeweils nach Veranschlagungsreife und aktueller Prioritätensetzung jährlich in den Haushaltsplan aufgenommen werden. Die Veranschlagung ist dabei gem. GO nach der dritten Leistungsphase vorzunehmen.

Sorgfalt in der Planung auf Basis einer Bedarfsermittlung und Transparenz einschließlich eines Kosten- und Risikomanagements während der Bauphasen führen dann zu einem zeit- und kostenstabilen Bauen.

 

 

  1. Veranschlagung von Rückstellungen und Abschreibungen weiterentwickeln

 

Als Stadt mit einem großen Anlagevermögen steht die Aufgabe des Substanzerhalts im Vordergrund. Im Rechnungswesen werden seit der Einführung der doppelten Buchführung die Abschreibungen ergebnisrelevant erfasst. Das Ziel muss sein, den langjährigen Werteverfall zu stoppen und den bestehenden Sanierungsstau Stück für Stück abzubauen.

r die Investitionsplanung und die Aufwendungen für Bauunterhaltung (Instandsetzung im Ergebnisplan) sollten Maßstäbe entwickelt werden, die sich an den Abschreibungen orientieren und langfristig den Werteerhalt sichern. Die Veranschlagung der Rückstellungen und Abschreibungen ist weiterzuentwickeln.

 

 

  1. Aufsicht und Steuerung bei Beteiligungen prüfen und wahrnehmen

 

Öffentliche Aufgaben werden durch aus dem Haushalt ausgegliederte Einrichtungen, oftmals auch in privater Rechtsform, geleistet. Im Haushalt sind diese Bereiche mit einem Zuschussbedarf (negatives Ergebnis) bzw. einem Überschuss (positives Ergebnis) verbunden.

 

Risiken in Größenordnungen entstehen erfahrungsgemäß oft in Beteiligungen. Der erstmals ab 2019 (in 2020) aufzustellende Gesamtabschluss bildet diese jeweils nur ab, wenn sie bereits eingetreten sind. Daher es ist wichtig die Aufsicht und Steuerung eindeutig festzulegen und zwischen Fachämtern, Leitungsebenen und Eigenbetrieb Beteiligungen abzustimmen. Es bedarf einer unterjährigen Konzernsicht auf die Tochterorganisationen und Beteiligungen der Landeshauptstadt, die der Selbstverwaltung (Hauptausschuss, Ratsversammlung) rechtzeitig ergänzend zu den einzelnen vorgesehenen Beschlussfassungen vorgelegt und darüber hinaus regelmäßig berichtet werden.

 

Die aus dem Haushalt ausgegliederten Einrichtungen müssen in einem erhöhten Maße ihre Eigenwirtschaftlichkeit sicherstellen und Finanzbedarfe aus dem Haushalt transparent ohne Zeitverzögerung darstellen.

 

 

  1. Freiwillige Leistungen verlässlich und wirksam gestalten

 

Eine Vielzahl von Leistungen kann nur in Zusammenarbeit mit Einrichtungen und Trägern außerhalb der Verwaltung erbracht werden. Diese - oft bewährten Verbindungen bedürfen der Planungssicherheit, wie der verbindlichen Verständigung über den Leistungsumfang. Die Entwicklung von Kennzahlen zur Zielerreichung und deren regelmäßige Kontrolle dürften hier hilfreich sein.

 

 

 

 

 

Christian Zierau

Stadtrat

 


[2] KGSt Bericht 1/2007 „Wirkungsziele“

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