Infosystem Kommunalpolitik
Antrag der Verwaltung - 0040/2015
Grunddaten
- Betreff:
-
Zukünftige thermische Klärschlammverwertung in Schleswig-Holstein - Kommunale Verbundlösung -
- Status:
- öffentlich (Drucksache abgeschlossen)
- Drucksachenart:
- Antrag der Verwaltung
- Federführend:
- Tiefbauamt
Beratungsfolge
Status | Datum | Gremium | Beschluss | NA |
---|---|---|---|---|
●
Gestoppt
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Innen- und Umweltausschuss
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Vorberatung
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03.02.2015
| |||
●
Gestoppt
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Bauausschuss
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Entscheidung
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05.02.2015
|
Sachverhalt/Begründung
Begründung:
1. Einleitung und Veranlassung
In Schleswig-Holstein werden zurzeit noch 70 % der Klärschlämme landwirtschaftlich verwertet, aber seit vielen Jahren wird die Nachhaltigkeit einer landwirtschaftlichen Klärschlammverwertung kritisch diskutiert.
Der Ausstieg aus der bodenbezogenen Klärschlammverwertung steht bevor:
- Vorgabe im Koalitionsvertrag
- Verschärfung der rechtlichen Vorgaben
- Schadstoffproblematik
- massive Einschränkungen des Polymer-Einsatzes ab 2017
- Überdüngung, d. h. für mehr Substanzen weniger Flächen
- stark begrenzte Aufbringungszeiten und –mengen
- Phosphor-Rückgewinnungsgebot ab 2025
- Mikroplastik
Die Umweltministerkonferenz (UMK) hat sich am 24.10.2014 für einen zügigeren Ausstieg aus der bodenbezogenen Klärschlammverwertung ausgesprochen, um Technologien zur Phosphor-Rückgewinnung sowie der Karbonisierung zu fördern. Gleichzeitig wird bekräftigt, dass die Mitverbrennung von Klärschlamm auf Dauer beendet werden muss.
Fazit: Die landwirtschaftliche Klärschlammverwertung ist nicht mehr zukunftssicher durchführbar.
Aufgrund der dargestellten Ausgangslage besteht bei der Stadtentwässerung Kiel und den Entsorgungsbetrieben Lübeck die Notwendigkeit, innerhalb der zu erwartenden Übergangsfristen alternative Entsorgungswege als Ersatz für die derzeit praktizierte landwirtschaftliche Verwertung zu erschließen. Beim azv Südholstein erfolgt bereits heute eine thermische Verwertung des Klärschlamms, derzeit überwiegend in der Mitverbrennung. Auch dieser Entsorgungsweg ist nicht zukunftsorientiert und –sicher.
Die drei Großkläranlagenbetreiber in Schleswig-Holstein beabsichtigen, ihren Klärschlamm gemeinsam einem Verwertungsweg zuzuführen, der folgende Ziele am besten erfüllt:
- mittel- und langfristig hohe Entsorgungssicherheit,
- Umweltschutz unter den Geboten Nachhaltigkeit und Vorsorge:
- Minimierung der Belastungen von Wasser, Boden und Luft
- Berücksichtigung der Klimaauswirkungen
- Ressourcenschutz
- Die Wirtschaftlichkeit muss den Umweltschutzvorteilen in angemessener Weise entsprechen. Gebührensteigerungen sind zu vermeiden.
- Flexibler Verwertungsweg, um schwer kalkulierbare Abhängigkeiten zu umgehen.
Derzeit stellt lediglich die energetische Verwertung (Verbrennung) eine technisch erprobte, verlässliche und die Schadstoffproblematik ausreichend berücksichtigende Alternative zur landwirtschaftlichen Verwertung dar. Darüber hinaus ist die Verbrennung CO2-neutral, da Klärschlamm praktisch ein „nachwachsender Rohstoff“ ist und sie ermöglicht eine Rückgewinnung des Phosphates aus der Asche.
Schleswig-Holstein und Hamburg stehen für eine Monoverbrennung der zukünftig zu erwartenden Klärschlammmengen jedoch keine ausreichenden Kapazitäten zur Verfügung.
2. Ergebnisse der konzeptionellen Projektphase
Arbeitspaket 1: Ermittlung und Bewertung geeigneter Standorte
Über ein mehrstufiges Verfahren wurden durch insgesamt drei Bewertungsphasen aus der Menge von 120 theoretisch möglichen Standorten (Auswahlkriterium: Wärmesenke vorhanden) innerhalb des Untersuchungsgebietes (ca. Raum Holstein) drei am besten geeignete, realisierbare Standorte identifiziert. Die Kriterien
- Standortspezifische Investitionskosten
- Standortspezifische Gesamtkosten
- Politische/öffentliche Akzeptanz
- Genehmigungsfähigkeit
- Standortbeständigkeit
- Verkehrsanbindung
- Umweltverträglichkeit/Energieeffizienz
wurden dabei in Unterkriterien aufgeteilt, die mit zunehmender Bewertungsintensität von rein logischen K.O.-Kriterien zu quantifizierbaren Filterkriterien entwickelt wurden.
Die Ergebnisse der Standortbewertung (Rangfolgen) sind in der Tabelle zusammengefasst.
Einzelpositionen | Standort | Standort | Standort | Standort | Standort |
Wirtschaftliche Bewertung |
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Einzelwertung Investitionskosten | 2 | 1 | 4 | 3 | 5 |
Einzelwertung Behandlungskosten | 2 | 1 | 4 | 3 | 5 |
Einzelwertung Logistikkosten | 1 | 2 | 5 | 3 | 4 |
Ergebnis wirtschaftliche Bewertung | 5 | 4 | 13 | 9 | 14 |
Reihenfolge der wirtschaftlichen Bewertung | 2 | 1 | 4 | 3 | 5 |
Qualitative Bewertung nach Standortkriterien |
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Qualitative Einzelwertung Standorte | 3 | 1 | 2 | 5 | 4 |
Ergebnis qualitative Bewertung | 3 | 1 | 2 | 5 | 4 |
Reihenfolge qualitative Bewertung | 3 | 1 | 2 | 5 | 4 |
Bewertungsergebnis gesamt (Summe wirtschaftlich plus qualitativ) | 5 | 2 | 6 | 8 | 9 |
Reihenfolge Gesamtbewertung der Standorte | 2 | 1 | 3 | 4 | 5 |
Die Standorte 1 und 2 bieten die größten Synergieeffekte und das beste wirtschaftliche und qualitative Ergebnis. Diese Standorte sind hinsichtlich der langfristigen Verfügbarkeit mit einem geringen Risiko behaftet. Der Standort 3 bietet das geringste Umsetzungsrisiko = höchste Sicherheit Genehmigungsfähigkeit. Die weitere Projektentwicklung sollte zunächst für drei Standorte erfolgen.
Arbeitspaket 2: Ermittlung und Bewertung geeigneter Organisationsmodelle
Es wurden die Modelle (Zweckverband, AöR, GmbH, Interkommunale Zusammenarbeit, etc.) unter den Maßgaben
a) für die drei Projektpartner ohne eigene Organisationsänderung realisierbar,
b) eine ausschreibungsfreie Klärschlammverwertung,
c) Möglichkeit der Aufnahme weiterer potenzieller kommunaler Partner
untersucht.
Die Bewertung erfolgte nach den Kriterien:
- Steuerrecht (GewerbeSt, UmsatzSt, KörperschaftsSt, etc.)
- Aufsicht („Räte“, Politik, Behörden, etc.)
- Handlungsspielraum (alles selbst, nur Betreiber, Betriebsführung, Anlageneigentum, etc.)
- Vergaberecht (Inhouse-Geschäfte, Geschäfte mit Kommunen, Beauftragung eines Dritten, etc.)
- Flexibilität/“Offenheit“ (Aufnahme weiterer Beteiligter/Gesellschafter…) sowie
- Haftungsrisiko
Die Bewertungsergebnisse denkbarer Organisationsmodelle sind in der Tabelle zusammengefasst.
| Steuerrechtl. Vorzüge | Steuerbarkeit | Organisat. Spielräume | Vergaberechtl. Privilegierung | Offenheit f.d. Einbindung weiterer Partner | Haftungs-begrenzung |
Regiebetrieb/ Eigenbetrieb eines Partners | ./. | ++ | + | -- | 0 | -- |
GmbH als Allein-gesellschaft | ./. | + | + | -- | 0 | ++ |
Zweckverband | ./. | 0 | + | ++ | + | - |
Gemeinsame GmbH | ./. | + | ++ | ++ | ++ | ++ |
Im Ergebnis stellt die gemeinsame GmbH die Vorzugsvariante dar. Es ist eine Entwicklungsgesellschaft vorgesehen, die zunächst die Planung, Projektierung und Vorbereitung bis zu einer endgültigen Lösung übernimmt und den Akteuren die notwendige Handlungsfähigkeit (Verhandlungen mit Standortpartnern und Behörden, Beauftragung und Koordinierung von Planungsleistungen etc.) bietet. Diese Gesellschaft kann dann in eine Betreibergesellschaft überführt werden.
Arbeitspaket 3: Ermittlung und Bewertung geeigneter und nachhaltiger Maßnahmen
zur Aschezwischenlagerung und zum P-Recycling
Aktuell läuft die Entwicklung von P-Recycling-Verfahren auf verschiedensten Ebenen, allerdings sind die Verfahren zurzeit noch nicht wirtschaftlich darstellbar. Daher muss die Schaffung von Zwischenlagerkapazitäten berücksichtigt werden. Die Stadtentwässerung Kiel betreibt bereits ein Kurzzeitzwischenlager für Klärschlamm (1 Jahr, 40.000 t) auf dem Gelände des Klärwerkes Bülk. Es bietet sich an, diese Gegebenheiten in die Planungen einzubeziehen, da kein gesondertes, aufwändiges Genehmigungsverfahren erforderlich ist, um auch Klärschlammaschen zwischenlagern zu dürfen und die Einlagerungsmengen zu erhöhen. Eine ggfs. erforderliche Umwandlung in ein Langzeitzwischenlager ist möglich.
Ein genehmigtes Kurzzeitzwischenlager für Klärschlamm und Klärschlammaschen trägt darüber hinaus zur Betriebssicherheit für die Anlagenbetreiber bei Ausfall oder Revision der Verbrennungs- oder Phosphorrecyclinganlage bei. Die Planungen und weiteren Schritte erfolgen parallel zur Anlagenplanung der thermischen Klärschlammverwertung.
Vorstellung des Projektstandes im Ministerium für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume
Die Vorstellung bei Herrn Minister Dr. Robert Habeck fand am 13.11.2014 statt. Das Vorhaben wird von ihm ausdrücklich vor dem Hintergrund der sich abzeichnenden veränderten Rahmenbedingungen unterstützt. Er sieht auch eine große landessweite Bedeutung.
3. Weitere Vorgehensweise
Innenministerium / Kommunalaufsicht
Mit der Kommunalaufsicht (Innenministerium) ist zu klären, ob und unter welchen Vorgaben/Bedingungen die Gründung und Finanzierung einer gemeinsamen GmbH mit dem Zweck der Klärschlammverwertung umgesetzt werden kann. Die Maßnahme, die einen Investitionsumfang von 30 – 35 Mio. € haben wird, ist gebührenfinanziert, darf aber die kommunalen Haushalte der Partner nicht zusätzlich belasten.
Gemeinsame Entwicklungsgesellschaft
Die (Entwicklungs-)Gesellschaft ist darauf angelegt, für die beteiligten Kommunen/Körperschaft eine gemeinsame Klärschlammverwertung zu planen und vorzubereiten. Darüber hinaus soll es ihr zu einem späteren Zeitpunkt möglich sein, den Betrieb der Klärschlammverwertung selbst durchzuführen. Ein Entwurf für den Gesellschaftsvertrag der Klärschlammkooperation Schleswig-Holstein befindet sich in der Abstimmung der beteiligten Verwaltungen.
Information der möglichen Standortpartner
Zeitlich parallel werden die möglichen Standortpartner über den aktuellen Sachstand informiert.
Peter Todeskino
Bürgermeister
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