Nachhaltiges Kiel

Wir machen Zukunft

In Kiel gibt es viele engagierte Menschen, die sich mit guten Ideen und viel Tatendrang dafür einsetzen, dass unsere Fördestadt nachhaltig und zukunftsfähig wird.

Jeden Monat stellen wir eine*n Kieler Zukunftsmacher*in in einem Kurzinterview vor. Sie kennen Leute, die unbedingt dazugehören? Dann lassen Sie uns das gerne wissen. 

April 2021 Wolfgang Albrecht - Local Surfboards Project

Portraitfoto
Foto: Viktoria Micheel - www.viktoriamicheel.de

Was hat Dich nach Kiel geführt?

Aufgewachsen in Rostock, kam ich im Jahr 2008 nach Kiel um Bootsbau zu lernen. Nach einer langen Zeit der Abwesenheit für mein Studium und einigen Reisen, hat es mich im Herbst letzten Jahres zurück in die Fördestadt verschlagen.

Durch mein Engagement bei dem Berliner Social-Sartup Linie 94, kam ich bereits vor einigen Jahren mit Social Entrepreneurship in Berührung. Während meiner Abschlussarbeit im Bereich Social Innovation Design an der FH-Potsdam, wurde ich auf das großartige Angebot von Yooweedoo aufmerksam. 

Kiel schien auch darüber hinaus ein sehr ansprechendes Ökosystem für Menschen zu bieten, die impactorientiert Gründen wollen. Gepaart mit meinem beständigen Kieler Freundeskreis und dem Bedürfnis, zurück an die Küste zu ziehen, wiesen alle Zeichen zurück in den Norden.

Was genau machst Du?

Über das Local Surfboards Project (LSP) möchte ich eine Plattform aufbauen, die mit dem Surfsport als Vehikel einen gezielten Wissenstransfer in Schwellen-und Entwicklungsländer ermöglicht.

Wir wollen jungen Surfer*innen helfen, eigene Boards aus lokal verfügbaren Materialien herzustellen. Der Sport birgt ein enormes transformatives Potential für Menschen aus benachteiligten Bereichen unserer Gesellschaft. Neben der körperlichen Entwicklung, spielen Aspekte wie Identifikation und Selbstwirksamkeitserwartung eine zentrale Rolle bei der mentalen Entwicklung junger Menschen. Hier setzen wir an.

Mit Workshops in unserem mobilen Werkstattcontainer soll das handwerklich-technische Know-How vermittelt werden. Die jungen Surfer*innen lernen hier, wie man Hölzer und andere Materialien verarbeiten kann und wie man mit Werkzeugen umgeht. Mit dem Sport als Katalysator, wird eine Ausbildung realisiert, die den jungen Erwachsenen neben dem Zugang zum Wassersport, auch eine Qualifikation für den lokalen Arbeitsmarkt ermöglicht. Zu Beginn des letzten Jahres wurde bereits ein Pilotworkshop in Kooperation mit WAWA Surfboards und zwei Jugendorganisationen in Kapstadt durchgeführt.

Gemeinsam mit Jannek Grocholl und Julius Gedamke vom BoardLab aus Kiel, streben wir aktuell die Gründung einer impactorientierten Surfmarke an. Neben dem beschriebenen Wissenstransfer steht vor allem die ökologische Nachhaltigkeit der hier in Schleswig-Holstein produzierten Boards im Fokus. Für dieses Vorhaben konnten wir kürzlich das Gründungsstipendium der WTSH erwirken. Auf den Fotos sehen wir einen Prototyp vom BoardLab.

Welche SDGs sind von Deinem Engagement besonders berührt?

Das Projekt widmet sich ausgewählten Entwicklungshemmnissen und damit verbundenen Problemstellungen am Beispiel von Afrika. Viele der SDGs sind eng miteinander verknüpft und bedingen sich gegenseitig. Zum Beispiel sind die ersten drei Entwicklungsziele „Kein Hunger“, „Keine Armut“ und „Gesundheit“ unter anderem ein Resultat von guter Bildung und einer gesunden Wirtschaft, die ihrerseits eigene Entwicklungsziele darstellen. 

Die SDGs sind also in keinem Fall losgelöst voneinander zu betrachten. Aus den komplexen Abhängigkeiten der Entwicklungsziele untereinander ergeben sich Kreisläufe, die schwer zu durchbrechen sind und sich über Generationen fortsetzen. Unsere zentralen Entwicklungsziele sind:

SDG 4 “hochwertige Bildung”
Bildung ist aus meiner Sicht nur so hochwertig, wie sie auch zugänglich ist. Kinder aus den Townships haben selbst mit Hochschulberechtigung, die sehr selten erreicht wird, kaum reelle Möglichkeiten an einer Universität zu studieren. Die mentalen Belastungen durch eine Kindheit zwischen Gewalt und Drogen machen selbstorganisiertes Leben während der Adoleszenz fast unmöglich. Hochwertige Bildung definiert sich in diesem Fall durch ein ansprechendes Angebot, welches auf die Bedürfnisse dieser jungen Menschen angepasst ist.

SDG 10 “weniger Ungleichheiten”
Wenn ein Kind unter Mangelernährung zur Schule geht, wird es nicht in der Lage sein, eine Qualifikation zu erlangen, um die Situation zu verbessern. Eine klassische Spirale der Armut. In Zusammenarbeit mit Jugendorganisationen, die bereits ein Vertrauensverhältnis zu den Kids haben, wollen wir Möglichkeiten erschließen, diese Spirale zu durchbrechen.

SDG 12 „nachhaltige(r) Konsum und Produktion“
Unter Anwendung kreislaufwirtschaftlicher Prinzipien, wollen wir hier in Schleswig-Holstein kompostierbare Surfboards produzieren und sie auf dem europäischen Markt anbieten. Die Prozesse der Wertschöpfung, welche von der Pflanzung der eigenen Plantage bis zum fertigen Surfboard reichen, wollen wir zugänglich machen und unser Wissen gezielt teilen.

In der Konzeptgestaltung werden Anforderungen anderer Entwicklungsziele, wie SDG 3 „Gesundheit und Wohlergehen“ und SDG 5 „Geschlechtergleichheit“ ebenso berücksichtigt.

WAWA Projekt
WAWA Projekt - Photograph: Esty Strydom, Kapstadt - www.luxxymedia.com

Warum findest du Nachhaltigkeit wichtig?

Es ist der einzige Weg! Der mittlerweile zu einem Buzzword verkommene Begriff “Sustainability” bedeutet für mich Verantwortung zu übernehmen.

Ein wesentlicher Grund für bestehende Missstände ist aus meiner Sicht die Ausrichtung am Kapital. Auch wenn auf individueller Ebene Empathie und Wertebewusstsein existieren, so ist das auf dem freien, globalisierten Markt nicht effektiv der Fall. Kapitalgesellschaften kennen keine Menschlichkeit, haben aber einen riesigen Einfluss auf die Menschheit und unseren Planeten. Unter Ausbeutung von Menschen und der Umwelt werden Gewinne erzielt, die bei einem winzigen Teil der Gesellschaft zusammenlaufen.

Nachhaltigkeit bedeutet weder Schaden am Menschen, noch an der Natur anzurichten. Wenn wir unsere Umgebung mit all denen darin befindlichen Produkten anschauen, finden wir kaum welche mit positiver Bilanz. Das muss sich ändern.

Im globalen Kontext wird klar, wie privilegiert wir in der westlichen Welt leben. Wir haben Zugang zu Bildung und enorm vielen Mittel im Vergleich zum größten Teil der Weltbevölkerung. Was machen wir mit diesem Privileg? Wofür geben wir unser Geld aus? Wofür nutzen wir unsere Bildung?

Wir müssen über den eigenen Tellerrand schauen und unseren Konsum reflektieren.

Kiel 2030 - was ist Deine Vision für unsere Stadt?

Kiel wird eine international angesehene Stadt mit Pioniercharakter. Bürokratische Strukturen in der Verwaltung sind maximal verschmälert, sodass die Stadt selbst zu einer Art agilem System wird. Innovative Ideen erfahren maximale Förderung und können niederschwellig getestet und implementiert werden.

Als kulturelle Metropole und Hafenstadt, die viele Möglichkeiten für kreative Menschen bietet, lockt Kiel mit einer starken Gründer*innen-Szene. Die Stadt hat eine positive CO2-Bilanz, unter anderem durch die Vernetzung mit dem Umland und etablierten lokalen Versorgungssystemen. Der Großteil der Innenstadt ist frei von Autos und gehört den Menschen, die darin leben.

Für mein Projektvorhaben wünsche ich mir eine Städtepartnerschaft mit Kapstadt. Mit festen Kooperationsstrukturen können die beiden “Sailing Cities” stark voneinander profitieren und ihre Profile schärfen. Eine sozial und ökologisch ausgerichtete Nord-Südachse der Nachhaltigkeit verbindet das postindustrielle Europa mit dem hoffnungsvollen Afrika.


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